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Rotkäppchen | Florian von Bornstädt

Auf dem Weg zum Film

Beim 12. internationalen Nachwuchs-Filmfestival up-and-coming vom 21. bis 24. November 2013 in Hannover waren über 200 Kurzfilme aus 38 Ländern zu sehen, darunter auch Produktionen aus Hamburg

Es ist schon fast Mitternacht am ersten Tag des diesjährigen up-and-coming. In Hannover ist soeben das letzte Filmprogramm für diesen Tag zu Ende gegangen, das Publikum im voll besetzten Kino hat eine bunte Mischung an Spiel- und Animationsfilmen gesehen: Komödien, Dramen, Horrorfilme. Viele Filmemacher sind angereist, um ihre Filme persönlich in einem Gespräch mit Moderator Stefan Rupp vorzustellen.

Mit dabei sind auch einige Filme aus Hamburg: die 25jährige Laura Reichwald beispielsweise studiert Film an der Hochschule für bildende Künste (HfbK) und hat „Und ob wir schon wanderten im finsteren Tal“ eingereicht, ein 10minütiger Spielfilm über ein Ehepaar, das tagelang regungslos in einem Auto sitzt. Für die junge Filmemacherin ist die Präsentation ihres Filmes im Kino „ein schönes Gefühl, denn dafür sind ja Filme da, um sie auf der Leinwand zu zeigen.“

Der ganz jungen Generation von Filmemachern eine erste Möglichkeit zu geben, sich zu profilieren, ist schließlich auch der Ansatz des Nachwuchs-Filmfestivals, welches 1982 einst als bundesweites Schülerfilmfest begann. Seit 1991 zeigen hier auch eine Reihe von internationalen Filmemachern in einem eigenen Programm ihre Erstlingswerke.

Düstere Themen auf dem diesjährigen up-and-coming


Auch „Rotkäppchen: Eine Erzählung von Blut und Tod“ sorgt am ersten Abend für Schauder und Gänsehaut. Im Film der Hamburger Nachwuchsregisseure Florian von Bornstädt (22 Jahre) und Martin Czaja (20 Jahre) trifft der Teufel in Gestalt eines Kindes auf ein Ehepaar – es endet mit Sex, Blut und Tod. Kennengelernt haben sich die beiden im Internet auf einer Plattform für Filmemacher, ihren Film finanzierten sie über Crowdfunding. Die beiden Jungregisseure wollten unbedingt beim up and coming dabei sein und haben so die Deadline des Festivals zum Stichtag der Produktion ihres Films erklärt, erzählt Florian von Bornstädt: „Ich finde das Festival total wichtig, das ist eine super Kontaktbörse, die wir hier bekommen. Es geht nicht ums Gewinnen, sondern mir ist es viel wichtiger, zu sehen, wie die Leute reagieren. Man hat gemerkt, dass sie entsetzt, gebannt und fasziniert waren, unsere Ästhetik hat auf sie gewirkt.“ Es ist das erste Festival, auf dem „Rotkäppchen“ zu sehen war, die jungen Filmemacher möchten beruflich in Richtung Regie gehen.

Ein Ort der Unterhaltung und Herausforderung möchte das up and coming sein, ein Ereignis, das die Grenzen zwischen diversen Genres und Medien sprengt. Dabei bestimmen die kreativen Filmemacher von sieben bis 27 Jahre mit ihren Einreichungen, was gezeigt wird. Aus diesem Mix ungewöhnlicher, humorvoller, provokativer und eigenwilliger Arbeiten von Schüler/innen, Jugendlichen und Studierenden entstehen spannende Synergien und ein Netzwerk, von dem sowohl die jüngeren als auch die älteren Teilnehmer/innen auch nach dem Festival profitieren können. Die Ausrichtung auf den Nachwuchs schätzt auch Laura Reichwald: „Ich finde es gut, dass man hier Erwachsene mit Jugendlichen zusammen bringt und sieht, wo man in ein paar Jahren ist, was man machen kann, wie die Wege dahin aussehen.“

Auch die ganz jungen Filmemacher präsentieren ihre Filme auf der Leinwand

So sind vor allem in den Vormittagsprogrammen viele Produktionen von Schüler/innen zu sehen, die ebenfalls zahlreich im Publikum sitzen. Viele Filme sind im Rahmen der Schule entstanden, zum Beispiel im Kunstunterricht, in einer Projektwoche oder einer Film-AG. „Der Museumsdrache“ beispielsweise ist ein Ergebnis einer Projektwoche mit Grundschüler/innen an der Winterhuder Reformschule. Auch hier sind die jungen Filmemacher extra angereist, um ihr Werk auf der Leinwand zu sehen: „Wir finden das gut, dass unser Film hier im Kino gezeigt wird, weil ihn sonst nur Schulkinder gesehen haben“, sagt die 8jährige Bianca. Auch „Hanz im Pech“ von den Kindern des Spielhauses, Jannis und Fin (12 Jahre), wird vor dem Festival-Publikum präsentiert. Die beiden freuen sich, beim Festival dabei zu sein, „hier sind so viele Leute und wir freuen uns, dass wir dazu gehören.“

Ein paar Stunden und viele Filme später: Im Nachmittagsprogramm berührt ein Film das Publikum besonders stark: „Ghulam – Angekommen in Hamburg“. Ein sehr persönliches Portrait der Elbstation Akademie über den Jungen Ghulam, der mit 14 Jahren aus Afghanistan allein nach Hamburg geflüchtet ist. Er erzählt von seiner Flucht, dem Beginn in der neuen Stadt und seinem jetzigen Leben. Ghulam (mittlerweile 19 Jahre) und Jordy sind ebenfalls angereist, um über den Film zu sprechen. „Es ist mir wichtig, mit dem Film meine Geschichte bekannt zu machen“, betont er im anschließenden Filmgespräch.

Das Filmfestival ist Treffpunkt der Nachwuchsszene und fördert die Vernetzung


So zeigt sich das Festival als Treffpunkt für Filmeinsteiger und solche, die bereits erste Erfolge mit ihrer Filmarbeit erzielen konnten. Der Animationsfilm „Reverie“ ist zum Beispiel schon eine kleine Berühmtheit und wurde bereits in etwa 100 Aufführungen auf vielen Festivals weltweit gezeigt, darunter auch bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes. Der von Hamburger Studierenden produzierte Trickfilm erzählt in bunten, an amerikanische Comics erinnernden Bildern, vom Leben eines Mannes, das sich dadurch ändert, dass er Zeuge eines Selbstmordes an einer U-Bahn-Station wird: Er verliert Job, Frau und sein altes Leben. Die drei Filmemacher Valentin Gagarin, Shujun Wong und Robert Wincierz (25 Jahre) sind zusammen zur Schule gegangen, wurden durch ihre Kunstlehrerin an das Medium Film herangeführt und dazu motiviert, weiterzumachen. Produziert haben sie „Reverie“ in ihrer Freizeit und ihn ebenfalls über Crowdfunding finanziert.

Die drei Filmemacher haben selbst auch schon etliche Festivals besucht. Valentin Gagarin, der in Hamburg Film an der HfbK studiert, sagt: „In dem Moment, wo wir die direkte Reaktion vom Publikum bekommen, können wir verstehen, was wir da überhaupt gemacht haben. Dieser Film ist jetzt schon die zweite Schnittfassung, wir haben nach den ersten Vorführungen gesehen, dass in der Mitte eine Szene zu lang war –so verändert sich der Film auch.“

Ein Nachwuchsfilmpreis geht auch an einen Animationsfilm aus Hamburg

Das up-and-coming zieht alle zwei Jahre zahlreiche Nachwuchsfilmer in seinen Bann. Mit mehr als 2000 Einsendungen war die diesjährige Veranstaltung gefragter denn je. Kein Wunder - so bietet sie schließlich für viele junge Filmemacher eine erste Möglichkeit der öffentlichen Präsentation. Für einige ist sie eine hilfreiche Plattform zur Vernetzung und für andere gar ein Sprungbrett in eine aufstrebende Filmkarriere.

Denn mit der Auszeichnung erhalten die Gewinner bei der feierlichen Preisverleihung auch eine Patenschaft und werden von Produzenten, Regisseuren oder Schauspielern bei kommenden Projekten unterstützt. Diese motiviert auch den Hamburger Joscha Thelosen, der für seinen Animationsfilm „The Hour Glass“ eine Auszeichnung mit nach Hause nehmen durfte: „Wenn man bei einem Festival gute Resonanz bekommt, dann ermutigt das, die Ideen weiter umzusetzen und weiterzumachen.“ Und vielleicht wird er diese bereits beim nächsten up an coming dem Publikum präsentieren. Denn für alle, die es in diesem Jahr versäumt haben: Der Teilnahmeschluss für das kommende Festival ist der 1. September 2015.

(Anna Postels und Vera Marie Rodewald)

Ein Interview mit dem Hamburger Animationsfilmer Joscha Thelosen ist unter folgendem Link nachzulesen: http://mediennetz-hamburg.de/index.php?MAIN=3&NAV=6&RECORD=1259

Wer nicht beim up and coming war, der hat beim Hamburger Nachwuchsfilmfestival abgedreht noch einmal die Chance, die Filme der Hamburger Filmemacher zu sehen:

Valentin Gagarin, Shujun Wong und Robert Wincierz: Reverie
Laura Reichwald: Und ob schon wir wanderten im finsteren Tal
Lei und Leanna: Der pubsende Fisch
Jannis und Fin, Kinder des Spielhauses: Hanz im Pech
Ghulam und Jordy: Ghulam – Angekommen in Hamburg
Philipp Westerfeld: Wo Schmetterlinge flattern, auch ohne Wind
Florian von Bornstädt, Martin Czaja: Rotkäppchen - Eine Erzählung von Blut und Tod
Mick Mahler: 3rd Person
Hannes Schweinfurth, Marcel Jürs und Andre Fernandes Mendes (Gymnasium Meiendorf): "Fast Food"
Lena Kübler (Gymnasium Ohmoor): Mondlicht

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